Mit zwei Prozent Sehkraft auf der Piste

Noemi Ristau aus Marburg hofft auf ihre dritten Olympischen Spiele in Cortina d'Ampesso 2026.

Sie ist weltweit eine der besten sehgeschädigten Skifahrerinnen, die es immerhin schon auf zwei Olympiateilnahmen sowie etliche an Weltmeisterschaften bringt: Noemi Ristau aus Marburg, die bei der Weltmeisterschaft 2017 in Tarvisio/ Italien eine Bronzemedaille gewann und sich im Februar 2018 in Kanada ihren ersten Weltcup-Sieg sicherte.

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Die 31-Jährige stammt ursprünglich aus Großostheim bei Aschaffenburg, sie lebt und lernt aber seit dem 15. Lebensjahr in Marburg. Dort, an der Blista, machte sie auch ihr Fachabitur Sozialwesen, in Puna/Indien absolvierte sie zudem ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an einer Blindenschule. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Ergotherapeutin, parallel dazu startete ihre internationale Karriere mit dem dritten WM-Platz in Italien. Im Sommer 2017 bestand sie dann auch ihr Examen.


Der Erfolg bei der WM bescherte der jungen Frau das Ticket für die deutsche Paraski-Nationalmannschaft, der sie bis heute angehört. „Ich bin 120 Tage im Jahr auf Skiern unterwegs, die vergangenen vier Jahre haben mich das Land und die Blista unterstützt, seit 1. August bin ich als Berufssportlerin beim Zoll angestellt. Das war eine finanzielle Erleichterung für mich“, berichtet die Skifahrerin, die ihren Sport auf fast allen Erdteilen ausübt und ausgeübt hat: „Ich kann mich jetzt noch mehr auf den Sport konzentrieren, auch für Regeneration bleibt Zeit.“

Die durchtrainierte, große Frau ist gut vernetzt in Marburg, auch ein Teil ihrer Familie wohnt in der Stadt. Ihre Freizeit ist geprägt von viel Sport: Inlineskating, Schwimmen, Laufen und Wasserski sind ihre Favoriten, sie spielt aber auch gerne Gitarre und singt im Chor – eine vielseitige Frau also. „Natürlich treffe ich mich auch gerne mit Freunden, und besonders genieße ich die Gartenarbeit bei meiner Mama in Großostheim.“ Die Grundlage für ihre Skibegeisterung liegt bereits in ihrer Kindheit. Mit drei Jahren steht sie auf den Brettern, die Familie fährt ein bis zwei Mal in den Skiurlaub, und außerdem wohnte ihre Oma im bekannten Wintersportort Lenggries.

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Mit 14 tritt dann ihre Augenerkrankung auf und sorgt dafür, dass sie heute nur noch über eine Sehkraft von zwei Prozent verfügt. „Wie kann man mit diesem Handicap so gut und so schnell die steilen Berge herunterrasen?“, frage ich sie. Antwort: „Ich bin über ein Headset mit meiner Guidin Paula Brenzel aus Bad Hersfeld verbunden, dort bekomme ich die richtungsweisenden Kommandos. 90 bis 95 Prozent fahre ich also nach Gehör, meine Restsehkraft hilft nicht wirklich viel.“ Ob sie keine Angst hat, möchte ich wissen, die ParaSkifahrerin verneint: „Ich vertraue meiner Guidin und weiß, dass sie mich nicht in Gefahr bringt.“


Nach den Olympischen Spielen ist für die sympathische Sportlerin schon vor den Spielen im Jahr 2026 in Cortina d‘Ampezzo/Italien, die verlockend für sie sind. „Ich hoffe, ich bleibe bis dahin gesund und fit. In den Dolomiten würde ich mich gerne mit den Besten der Welt messen – und zwar auf richtigem Schnee in einer richtigen Wintersportnation.“

 

Von Michael Acker, Fotos: mr//media, Melanie Weiershäuser; privat

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