Du bist, was Du (nicht) isst: Ketogen, Paleo, Basisch & Fasten

Jahr für Jahr prägen neue Schlagworte die Diät-Szene. Was ist dran an Paleo, ketogener oder basischer Ernährung? Und was passiert, wenn man einfach mal aufhört zu essen? Ein Überblick.

Ernährung1Ketogene Ernährung ...

... ist eine Form extrem kohlenhydratreduzierter Ernährung, die als Fettzellen-Killer schlechthin gehyped wird. Gemeint ist nicht nur Low-Carb (20 bis 30 Prozent Kohlenhydrate), sondern very (very) Low-Carb. In ihrer strengsten Form sollen lediglich etwa vier Prozent des täglichen Energiebedarfs über Kohlenhydrate gedeckt werden, etwas mehr Proteine sind erlaubt. Bleiben noch 70 bis 90 Prozent Fett. Die Prozentangaben variieren, in der Regel liegt der Anteil an Kohlenhydraten aber unter 10 Prozent. Der erstrebte Zustand ist die Ketose. Dabei beginnt der Körper mangels Zucker aus den Kohlenydraten eine andere Energiequelle anzuzapfen: Fett. Aus Fettsäuren bildet die Leber sogenannte Ketonkörper, die vom Körper verwertet werden können. Die Ketonkörper sind drei verschiedene Verbindungen: Acetoacetat, β-Hydroxybutyrat und Aceton. Daher stammt auch der typische Mundgeruch bei Hungerzuständen oder eben ketogener Ernährung, denn Aceton wird über die Atemluft ausgeschieden. Die Umstellung des Stoffwechsels soll begünstigen, dass auch die körpereigenen Fettdepots abgebaut werden. Ketogene Kost kann jedoch mit Risiken verbunden sein. Die einseitige Ernährung begünstigt Mangelerscheinungen, die Stoffwechsel-Umstellung kann Müdigkeit, Schlafprobleme, Depressionen und Verdauungsbeschwerden zur Folge haben. Im extremen Fall droht sogar eine Ketoazidose, also eine Übersäuerung des Blutes – ein lebensbedrohlicher Zustand. „Interessierte müssen sich gut von einem Arzt beraten lassen, ob die ketogene Ernährung für sie in Frage kommt. Prinzipiell sollte jeder auf seinen Körper hören – wer sich quälen muss, um eine bestimmte Ernährungsform einzuhalten, tut sich nichts Gutes“, weiß Diplom-Oecotrophologe Edgar Schröer.

Paleo ...

... leitet sich vom paläolithischen Zeitalter ab: der Steinzeit. Die Theorie besagt, dass sich beim Menschen in genetischer Hinsicht seitdem nicht viel getan hat, unser Körper also eigentlich ideal an die damalige Ernährungsweise angepasst sei. Und da es vor zwei  Millionen Jahren weder Maggi-fix noch kultivierten Ackerbau gab, stehen auf dem Speiseplan des neuzeitlichen Jägers und Sammlers Gemüse, Fleisch, Meeresfrüchte, Obst, Kräuter, Pilze und Nüsse. Milchprodukte, Getreide und dessen Erzeugnisse wie Brot, Zucker  und alle stark verarbeiteten Lebensmittel sind tabu. Prinzipiell baut die Paleo-Ernährung auf saisonale, regionale und natür liche Lebensmittel, was auch vom Ernährungsberater befürwortet wird: „Ich denke Paleo ist noch am praktikabelsten, weil ja alle  Nährstoffe erlaubt sind. Das wissenschaftliche erüst allerdings wird von keiner Studie bestätigt“, resümiert Schröer.

Die basische Ernährung ...

... ist eine Lehre, die Lebensmittel in säurebildend und basenbildend unterteilt, in Abhängigkeit davon, welchen Einfluss ihr Konsum auf den ph-Wert des Urins hat. Beim Verdauen von zum Beispiel Fleisch wird mehr Schwefelsäure freigesetzt, als bei der  Verwertung von Gemüse. Der pH-Wert des Urins sinkt. Die Lebensmittel bekommen einen sogenannten PRAL-Wert zugeordnet (potential renal acid load). Ein Wert im Minusbereich senkt die Säurebelastung, ein Wert im Plusbereich macht den pH-Wert des Urins sauer. „Ein saurer Urin beweist, dass die Regulatoren im Körper gut funktionieren, denn überschüssige Säure wird ja offensichtlich abgebaut und ausgeschieden. Für eine schädliche Übersäuerung des Gewebes – wie es Befürworter der basischen Ernährung    nennen – gibt es keine wissenschaftliche Grundlage“, weiß der Experte.

Und was macht nun eine gesunde Ernährung aus?

„Es gibt auf der Welt sicherlich 7 Milliarden gesunde Arten, sich zu ernähren, denn der Stoffwechsel ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Wir müssen wieder lernen, auf unseren Körper zu hören und seine Signale richtig zu deuten. All diese Ernährungstrends  können für einige Menschen sehr gut geeignet sein – für andere hingegen sind sie das überhaupt nicht“, erklärt der Oecotrophologe. Er kennt auch die Ursachen für Übergewicht: „Es gibt keine schlechten Lebensmittel per se, aber es gibt mehr als 100 Gründe  dafür, warum ein Mensch mehr wiegt, als es in seiner Genetik vorgesehen ist. Die komplexen Mechanismen, die unser Körpergewicht regulieren, lassen sich leider nicht auf die einfache Formel „Wer viel isst, nimmt zu“ reduzieren, denn ganz oft ist sogar das  Gegenteil der Fall. Ein Körper, der auf einmal weniger oder für ihn ungeeignete Nahrung bekommt, kann mit Stress reagieren – das ist wirklich noch ein Überbleibsel der Frühzeit. Er reduziert seinen Stoffwechsel, um Reserven für Notsituationen zu behalten“,  erklärt der Fachmann.

Er hält das intuitive Essen für den richtigen Weg zu einem guten Körpergefühl: „Viele Menschen können nach jahrelangen Diät-Versuchen oder im stressigen Alltag nicht einmal mehr richtig einschätzen, ob sie wirklich Hunger haben – oder ob sie einfach aus  Gewohnheit um 13 Uhr essen. Wer Schritt für Schritt lernt, wieder achtsam mit sich und seinem Körper umzugehen, der wird davon definitiv profitieren“, weiß Schröer.

Sieben Tage ohne

Und das möchte ich auch: Wieder lernen, auf meinen Körper zu hören. Ich bezweifele zwar, dass ich es jemals schaffen werde, angemessene Mengen zu mir zu nehmen (wenn’s schmeckt, esse ich weiter … und weiter … und schließlich … weiter), aber ich weiß auch, dass mir genau dieses regelmäßige Überfuttern überhaupt nicht gut tut. Es ist also Zeit für einen Reset. Einfach mal das System auf Null fahren und schauen, was passiert. Ich habe mit Anfang 20 (damals … als die Schuhe noch aus Holz waren) schon einmal Buchinger-Fasten getestet. Mein Arzt hat keine Einwände und ich bin voller Elan.

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Entlastungstag(e):

In der Regel sollten dem eigentlichen Fasten einige Entlastungstage mit leichter Kost wie gedünstetem Gemüse, Porridge oder Brühe vorangestellt werden, um den Darm zu entlasten und den Körper vorzubereiten. Kein Alkohol, kein Kaffee oder Schwarztee. Ich belasse es bei einem Entlastungstag, vielleicht weil mir mein salzlos gedünstetes Gemüse ohne Sauce Hollandaise nicht schmeckt. Egal, ich fühle mich ausreichend entlastet.

Erster Fastentag:

Er beginnt mit einer schicken Glaubersalz-Schorle: Das Beste an diesem Cocktail zum Abführen ist der Moment, in dem man ihn leergetrunken hat. Da gibt’s nix schönzureden. EKELHAFT. Aber effektiv. Nach etwa einer halben Stunde setzt die Wirkung ein. Sie sollten sich an diesem Tag besser nichts Wichtiges vornehmen. Das Abführen zu Beginn einer Fastenkur ist wichtig, damit im Darm keine Ablagerungen und Giftstoffe verbleiben, denn ohne Nachschub durch Nahrung wird der Verdauungsapparat träge und der alte Speisebrei hängt fest. Eine Darmreinigung sollte während des Fastens alle zwei Tage durchgeführt werden – entweder durch Abführen oder mittels Einläufen. Abführmittel sind prinzipiell mit Vorsicht zu genießen (und mit Ekel), weil ein Gewöhnungsprozess eintreten kann und die Darmschleimhaut gereizt wird. Also versuche ich es mit sanfter Unterstützung. Die Darmperistraltik kann zum Beispiel mit Sauerkrautsaft, Brottrunk oder Molke in Schwung gebracht werden. Zwei bis drei Liter müssen Fastende täglich  mindestens trinken. Erlaubt sind stilles Wasser, ungesüßte Kräutertees, mittags gibt’s ungesalzene Gemüsebrühe, abends wahlweise Frucht- oder Gemüsesaft.

Und weiter geht’s

Durch das Gespräch mit Edgar Schröer bestärkt, halte ich mich nicht sklavisch an einen festen Buchinger-Plan, sondern höre auf meinen Körper.

„Und Körper, was meinst Du so?“
„Schnitzel mit Bratkartoffeln.“
„Nee, ist nicht. Such Dir was fastenmäßiges aus!“
„Ok. Kein Fruchtsaft mehr. Nur noch Möhre auf Eis.“
„Genehmigt.“


Die Tage Zwei und Drei sind irgendwie gut, ich bin befreit. Vom Essen. Vom Kochen. Vom Nachdenken übers Essen. Schön. Leichtes, erträgliches Hungergefühl zwischendurch. Bisschen Joggen. Läuft bei mir.

Nachts träume ich von Nudeln mit Reis. Wache am vierten Tag schlapp und mit Kopfschmerzen auf. Schimpfe meinen Körper:

„Was soll das denn jetzt? Ich mach das hier schließlich für Dich.“
„Lügnerin. Du machst das für Deinen Arbeitgeber. Ich habe Dir eindeutige Bilder geschickt. Nudeln. Reis. Pronto!“
„Komm schon, bitte, das ziehen wir jetzt durch … Körper?“

Stille. Dann werden die Kopfschmerzen schlimmer. Um mich irgendwie in Gang zu setzen, gönne ich mir etwas Honig und Zitrone im Morgentee. Und lenke mich ab. Der Tag geht rum, ich liege wach. So träume ich wenigstens nicht wieder von Kohlenhydraten.

Tag fünf

Müde, schlecht drauf. Weil Sauerkrautsaft und Co. nicht viel bringen fahre ich mir nochmal eine leichte Glauber-Mische rein, halte mich am Tee fest und hoffe. Wenn ich weiter so down bin, ist diese dämliche Fasterei für mich vorbei. Ich gehe spazieren und grüble, was das soll, was mir fehlt, warum ich trübselig bin und wieso das Wetter so fucking schlecht ist. Und mit jedem Schritt geht’s bergauf. Ich komme zu grundlegenderen Themen, bin bei mir und meinem Leben und irgendwie – dankbar. War es die Bewegung, die  frische Luft oder der morgendliche Teufels-Mix? Ich weiß es nicht, aber ich fühle mich abends besser, muss sogar laut lachen, bin klischeemäßig fasten-erleuchtet. Oder ich werde gerade wegen des Kohlenhydrat-Entzuges verrückt …

Tag 6

Tageslicht und Bewegung sind bei mir definitiv der Schlüssel zum besseren Wohlbefinden. Ich bin erstaunt, dass ich gar keinen Hunger habe und freue mich doch auf morgen. Denn am siebten Tage sollst Du … essen.

Finale – ohoooo

Die klassische Fastenbrecher-Mahlzeit nach Buchinger ist ein Apfel am Mittag. Ich zweifle. Soll ich da wirklich reinbeißen? Oder nicht noch ein paar Tage warten – viel hilft viel. Aber eigentlich bin ich stolz, überhaupt bis jetzt durchgehalten zu haben. Also gut.
Mund auf, langsam essen, gut kauen, riechen, genießen. Er schmeckt fantastisch, genau wie die Kartoffelsuppe am Abend. Das Fasten hat für mich genau den Zweck erfüllt, den ich mir erhofft habe: Ich esse wieder bewusster (auch nach drei Wochen noch), höre
auf, wenn ich satt bin (außer es gibt Nudelauflauf). Abnehmen war nicht mein Anliegen – sollte es bei Fasten auch nicht sein. Von den vier verlorenen Kilos habe ich zwei schon wiedergefunden („Ach da seid ihr ja…“) aber ein netter Nebeneffekt war es doch. Und meiner Haut hat das alles wohl auch gutgetan. Fazit. Ich würde es wieder tun … aber nicht so bald.

 Von Katharina Stenner

Fotos:  mr//media; Adobe Stock: © sewcream, © sveta_zarzamora

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